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Autobranche in der Corona-Krise, Teil 1

Opel Corsa-e: Ein vollwertiges Elektroauto mit einer Reichweite von bis zu 337 Kilometer nach WLTP. Der Corsa-e hat das Zeug zum Verkaufserfolg. Manche Händler haben 80 Autos und mehr im Zulauf. Aber die Diskussion um neue, erhöhte Förderprämien könnte die Kauflust bremsen, schließlich will kein Kunde die Höchstprämie verpassen. (Werksfoto)

Die Autohäuser sind bereits seit über einer Woche (20. April) wieder geöffnet, doch die Kunden bleiben aus. Die PKW-Neuzulassungen im Monat März lagen mit 215.000 Fahrzeugen knapp 38 Prozent unter dem Vorjahresmonat. Dabei war der März maximal zwei Wochen vom Lockdown betroffen. Branchenkenner erwarten für den April (drei Wochen Lockdown) einen noch größeren Rückgang der Neuzulassungen. Unter anderem auch deshalb, weil in dieser Zeit die meisten Zulassungsstellen geschlossen waren. Doch was jetzt für das anlaufende Geschäft wirklich zählt sind Verkäufe, sprich unterschriebene Kaufverträge. Und zwar zum einen für sofort verfügbare Neuwagen ab Lager und zum anderen für individuell konfigurierte und jetzt georderte Neuwagen, die dann erst produziert werden.

Eine unsichere Zukunft trübt den Blick und macht mutlos

Wie funktioniert eigentlich die Autobranche und ganz speziell das Neuwagengeschäft? Die Antwort ist vielschichtig und kompliziert, denn Automobile werden nicht so gekauft wie Lebensmittel oder Bekleidung. Versuchen wir eine grob vereinfachte Antwort: Rund zwei Drittel der PKW-Käufe sind gewerblich, sie werden von Behörden, Konzernen, großen Firmen, kleinen Betrieben und der Autobranche selbst (Hersteller, Importeure, Zulieferer und Leasinggesellschaften) getätigt. Diese Autokäufe sind geplant und selten spontan ausgelöst. Das verbleibende Drittel sind private Autokäufe, teils langfristig geplant, teils ganz spontan (dann zumeist Halden- oder Lagerfahrzeuge). Alle Kundengruppen sind von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise betroffen. Die meisten davon negativ, sie verdienen weniger, machen weniger Umsatz und blicken einer eher unsicheren Zukunft entgegen. Der Kleinbetrieb, der auf die Produktion von Schutzmasken umstellt und Umsatz und Gewinn nach oben fahren kann, ist sicher die Ausnahme.

Corona kann aus drei Monaten Lieferzeit auch ein halbes Jahr werden lassen

Ein Blick auf die Zeitschiene: Die Annahme, dass rund Dreiviertel aller Autokäufe geplant sind, trifft mit hoher Wahrscheinlichkeit die Marktrealität. Die Kalkulierbarkeit dieser geplanten Autokäufe birgt für die Hersteller Chancen und Risiken zugleich. Viele Ankäufe ersetzen beispielsweise nach drei Jahren einen Bestands-PKW, das ist oft bei Leasing- oder Finanzierungsmodellen so. Um schneller als in rund drei Monaten liefern zu können, produzieren Hersteller vorkonfigurierte Wagen, die dann in die Händler-Ausstattung oder ins Leasinggeschäft gehen. Zudem wird der Handel durch diese Vorproduktion permanent unter Verkaufsdruck gehalten. Ein weiterer großer Teil der PKW (speziell bei den deutschen Herstellern) wird jedoch entsprechend der individuellen Konfiguration nach Kundenwunsch und aktueller Bestellung gebaut. Hierbei betragen die Lieferzeiten mindestens drei Monate, oft sogar vier bis sechs Monate. Bei besonders gefragten Neuheiten sogar über ein Jahr.

Wenn keine Neuwagen bestellt werden, pumpen die Hersteller die Lager voll

Das Wissen um diese Lieferzeiten (die Dauer von der Bestellung bis zur Neuzulassung und Auslieferung) lässt die Zahl der Neuzulassungen im März in einem anderen Licht erscheinen. Sie verhält sich ähnlich wie die Infektionszahlen des Coronavirus, bei dem sich erst nach ein bis zwei Wochen erkennen lässt, welche Maßnahme oder welches Maßnahmen-Paket etwas bewirkt hat. Ebenso spiegelt mindestens die Hälfte aller Neuzulassungen lediglich wider, wie viele Kaufentscheidungen und Bestellungen vor etwa einem Vierteljahr erfolgten. Nur die verbleibende Hälfte (eher weniger) ist durch Spontankäufe oder vorkonfigurierte Lagerfahrzeuge verursacht.

Autozulassung im April – fast unmöglich

ŠKODA Superb Combi iV: Der moderne Plug-in-Hybrid fährt lokal emissionsfrei. Auch solche PHEVs sollen von weiteren Fördermaßnahmen profitieren. Für die Hersteller sind PHEVs die letzte Hoffnung, um die hohen CO2-Strafzahlungen an die EU zu vermeiden. (Werksfoto)

Basierend auf diesen groben Schätzungen lässt sich die um knapp 38 Prozent gesunkene Zahl der PKW-Neuzulassungen im März 2020 besser einordnen. Diese 38 Prozent nichtzugelassene PKW setzen sich nach aller Wahrscheinlichkeit zusammen aus nicht erfolgten Spontankäufen und nicht erfolgten Zulassungen, weil die Zulassungsstellen geschlossen waren. Diese Schließungen deckten in den meisten Ämtern den Zeitraum der letzten oder der letzten beiden Märzwochen ab. Im April waren nahezu alle Zulassungsstellen den ganzen Monat über geschlossen. Begründete Ausnahme-Zulassungen waren vereinzelt möglich, durften aber meist nur mit einem professionellen Zulassungsservice abgewickelt werden.

Noch weiß niemand, wie sehr die PKW-Produktion unter dem Lockdown leidet

Die hohe Zahl (geschätzt ca. 250.000 PKW) der Neuwagen-Bestellungen und -Verkäufe von individuell konfigurierten Modellen, die im Zeitraum März-April wegen der geschlossenen Verkaufsräume nicht erfolgten, werden aller Voraussicht nach frühestens ab August 2020 in der Zulassungsstatistik als Lockdown-Delle sichtbar. Möglicherweise auch noch deutlich später als August, denn die Hersteller fahren ihre Werke ja gerade jetzt erst wieder langsam hoch, was verlängerte Lieferzeiten zur Folge haben wird. Dass die Umsatzverluste aus der Lockdown-Verkaufspause noch in 2020/21 wieder aufgeholt werden können, wird von Branchenbeobachtern ausgeschlossen. „Nicht so schnell und nicht in voller Höhe“, heißt es unisono, und dabei ist die tatsächliche Höhe der Ausfälle noch gar nicht sicher zu beziffern.

Autor: Thomas Wüsten

In Teil 2 geht es um Kaufanreize gegen den Nachfrageeinbruch