Aston Martin vor dem Aus?
Es ist längst kein wirkliches Geheimnis mehr und wird in der Branche hinter vorgehaltener Hand lebhaft diskutiert: Der legendäre englische Sportwagenbauer Aston Martin Lagonda Limited ist de facto pleite und kurz davor, im Orkus der Automobilgeschichte zu verschwinden.
Seit Jahren befindet sich der automobile Ausrüster von 007 in einer Art ökonomischem Wachkoma. Hohe Schulden, Verluste und rückläufige Verkaufszahlen nehmen der britischen Automobil-Ikone die Luft zum Atmen. Von einst 7.300 verkauften Autos im Jahr 2007 fanden 2014 nur noch rund 4.000 Neuwagen einen Käufer. Die Produktionskapazität des Werks in Gaydon hatte man einst immerhin auf 15.000 Einheiten ausgelegt. Inzwischen ist von Insidern zu hören, Fahrzeuge verließen das Werksgelände nur noch mit Genehmigung der Gläubiger. Der am Golf sitzende Hauptaktionär hält die Marke am Leben – noch. Es scheint als hegten die Emiraties die Hoffnung, doch noch einen Investor zu finden, der bereit ist, das eigentlich längst tote Pferd zu reiten – und dem man die ganze Bude für eine ordentliche Summe andrehen kann. Schließlich besitzt Aston Martin eine Stärke und Strahlkraft, wie kaum eine andere Automarke. Um den Schein zu wahren, gibt es deshalb immer wieder Geld, damit von Zeit zu Zeit ein Aufsehen erregendes Show Car auf die Beine gestellt werden kann.
Showcars sollen Aston Martin attraktiv für Geldgeber machen
Auf dem diesjährigen Genfer Autosalon gab es sogar zwei Schaustücke. Einerseits die Neuinterpretation des viertürigen Aston Martin Lagonda „Taraf“. Von ihm werden aber wohl nur dann, wie angekündigt, 200 Fahrzeuge entstehen, wenn diese – analog zum Modell One-77 – vorab ihre Käufer gefunden und diese den Kaufpreis im Voraus gezahlt haben. Außerdem gab es – mal wieder – eine SUV-Studie. Diesmal in Form eines hochbeinigen, zweitürigen Coupés mit der Bezeichnung DBX Concept. Ob Aston Martin damit jedoch mit den Super-SUV von Bentley, Rolls Royce oder auch Maserati mithalten kann, müsste sich erst noch zeigen. Fest steht: Der Aston Martin-SUV wird ein Nachzügler sein, denn die Konkurrenten sind schon mitten im Entwicklungsprozess. Bentley und Maserati planen, ihren Geländegänger bereits in diesem Jahr zu präsentieren.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Um dennoch den Anschein von Vitalität aufrecht zu erhalten, bringen die Briten immer mal wieder neue Spielarten ihrer bereits seit Jahren bekannten Modelle. Der aktuelle DB9 wurde lediglich neu eingekleidet, seine konstruktive Basis ist aber inzwischen über zehn Jahre alt. Das gilt auch für die Modelle Vanquish und Rapide, die sich bei genauem Hinschauen ebenfalls als DB9-Derivate entpuppen. Als Antrieb dient in allen Fällen der betagte Zwölfzylinder, der im Kölner Ford-Motorenwerk eigens für Aston Martin aus zwei Mondeo V6-Aggregaten weitgehend händisch zusammengesetzt wird. Der betagte Motor kann heute weder in Sachen Leistung noch beim Verbrauch und erst recht nicht bei den Emissionen mit modernen Triebwerken mithalten.
Aston Martin fehle es an der Finanzkraft für die Entwicklung eines neuen Antriebs, urteilen Branchenkenner. Um trotz fehlenden Kapitals an moderne Technik zu kommen, hatte der im November 2014 zurückgetretene Aston Martin Chef, der deutsche Ulrich Bez, einen vielversprechenden Deal mit Mercedes-AMG eingetütet. Die Schwaben erhielten eine fünf prozentige Minderheitsbeteiligung an Aston Martin Lagonda Ltd. und sollten fortan Motoren und Getriebe zuliefern. Außerdem gewährte der Deal Aston Martin Zugang zur Elektronik-Architektur der Schwaben, wodurch die Briten auch in Sachen Infotainment und bei aktiven Sicherheitssystemen den Anschluss an den Stand der Technik erhielten.
Bislang fruchtlos: Der Deal der Briten mit Mercedes
Bis heute hat diese Allianz jedoch keine erkennbaren Ergebnisse gezeigt. Kein Aston Martin mit einem AMG-Antrieb hat es ins Licht der Öffentlichkeit geschafft. Offenbar sind die Briten mittlerweile derart klamm, dass sie es sich nicht einmal leisten können, die aktuellen Modelle auf den AMG-Antrieb anzupassen. Das gilt selbst für den kompakten Vantage, der ja bereits konzeptionell auf die Verwendung eines V8 ausgelegt ist. Auch in Sachen Infotainment müssen sich Käufer eines Aston Martin mit veralteten Navi-Systemen herumplagen. Und bei aktiven Sicherheits- und Assistenzsysteme herrscht komplett Fehlanzeige.
Dennoch wird Bez-Nachfolger Andy Palmer nicht müde zu betonen, dass die Partnerschaft mit Mercedes ein entscheidender Schlüssel für die Zukunft der Marke sei. Palmer, zuvor bei Nissan für die Produktplanung verantwortlich, kündigt an, in den kommenden fünf Jahren 840 Millionen Euro in neue Produkte investieren zu wollen. Das hierfür notwendige Kapital soll von neuen Geldgebern kommen. Eingedenk der bestehenden Schuldenlast dürften Bankkredite als Finanzierung ebenso ausfallen wie die Ausgabe von Unternehmensanleihen. Doch selbst wenn es den Briten tatsächlich gelingt, entsprechendes Kapital zu mobilisieren, bezweifeln Branchenkenner, dass eine Investition in der genannten Größenordnung den Grundstein legen kann, Aston Martin profitabel zu machen. Die Summe sei für die Entwicklung eines komplett neuen Fahrzeugs schlicht viel zu gering. Immerhin müsse dieses technologisch innovativ und mittelfristig konkurrenzfähig sein, um die Produktionsanlagen in Gaydon nachhaltig auslasten zu können. Zum Vergleich: Mercedes hatte die jüngste Modellpflege der E-Klasse schon mehr als eine Milliarde Euro gekostet.
Neuer DB10 wird als 007-Dienstwagen präsentiert
Der neue Dienstwagen von Super-Spion James Bond wird es jedenfalls nicht sein können. Bei seinem neuen Dienstwagen mit der Bezeichnung DB10 handelt es sich offensichtlich um eine modifizierte Ableitung vom kompakten Aston Martin Vantage, dem die Designer eine neue, schicke Verpackung spendierten. Um den Neuling reichweitenstark der Öffentlichkeit zu präsentieren nutzt Aston Martin wieder einmal sein Product-Placement in den 007-Filmen: Schon der DBS war 2006 erstmals im Abenteuer „Casino Royal“ zu sehen. Der DB10 wird in dem für Herbst angekündigten neuen Bond-Streifen „Spectre“ seinen ersten großen öffentlichen Auftritt haben.
Autor: Norbert Berg