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Die Reisefreiheit ist ein Traum

Traumurlaub in Schottland: Grandiose Kulisse und leere Straßen – da vergisst man den Linksverkehr, erst recht, wenn man in einem schönen alten Range unterwegs ist. (Werksfoto)

Virologen und Epidemiologen beherrschen die Nachrichtenlage. Politiker übersetzen die Erkenntnisse in Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen. Das Auswärtige Amt verkündet eine weltweite Reisewarnung. Die Welt rotiert im Corona-Krisen-Modus. „Bleibt zuhause“, empfiehlt Kanzlerin Merkel allen braven Bürgern. Es ist also Zeit genug, sich ein paar Gedanken zu machen über unsere Reisefreiheit, die wir bis vor wenigen Tagen für so selbstverständlich hielten.

Auto oder Motorrad? Egal, Hauptsache an die frische Luft

Die Freiheit vermisst man am stärksten, wenn man sie nicht mehr hat. Nahezu alle Staaten Europas haben ihre Grenzen für Reisen dicht gemacht. Immerhin, innerhalb Deutschlands, zum Beispiel in NRW, ist Mobilität noch erlaubt, auch wenn allgemein davon abgeraten wird. In der Mehrzahl der Bundesländer darf man noch mit dem Auto oder Motorrad spazieren fahren. Auf dem Motorrad aber nur mit schlechtem Gewissen, denn die Verantwortungsvollen und Vorsichtigen raten dringend davon ab. Man könnte ja verunfallen und im Krankenhaus ein Intensivbett benötigen, das jetzt in Corona-Zeiten für Covid-19-Patienten frei bleiben soll. Verständlich, aber wer fährt schon los, um zu verunfallen?

Belgien hat die Grenzen geschlossen

Bei der gemütlichen Tour durch die Eifel erreiche ich nach einer guten Stunde die Grenze zu Belgien. Hier ging’s noch vor wenigen Wochen ohne Kontrolle und Beschränkung problemlos weiter. Im Hohen Venn lockte dann ein Gasthof mit leckeren, deftigen Mahlzeiten.

Tote Hose an der Grenze zu Belgien: Weit und breit keine Absperrung, die das Übertreten der Grenze verhindert – aber am Ende siegen Vernunft und Demut vor dem Virus. (AutoAmbition/motorMAQ)

Heute wird´s nix mit gutem Essen in Belgien. Der Übergang bei Losheim ist zwar offen, aber auf eine Kontrolle oder gar Ärger mit der belgischen Polizei bin ich nicht erpicht. Also drehe ich ab Richtung Westen. In Breidscheid am tiefsten Punkt der Nürburgring-Nordschleife sind wenigsten noch die Frittenbuden geöffnet. Logo, Take-Away-Essen ist in Deutschland noch erlaubt, im Übrigen sind alle Restaurants geschlossen.

Die Reise in die Niederlande funktioniert nur theoretisch

Beim Futtern der Currywurst geht mir so manches Reiseziel durch den Kopf. Alles was man noch so machen könnte, aber eben jetzt zu Corona-Zeiten nicht kann, weil Europas Grenzen zu sind. Ich denke an die vielen Wochenendtrips auf die niederländischen Nordseeinseln, genannt Wadden Eilanden. Allen voran Ameland, wo immer ein Caravan auf uns wartet. Mit dem Auto wäre man nach rund dreieinhalb Stunden in Holwerd an der Fähre. Dann noch mal die einstündige Überfahrt, und schon könnte man die Ruhe auf der Insel genießen.

Leider geht das jetzt nicht. Zwar ist die Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden noch offen, aber die Fähren fahren nur nach einem stark eingeschränkten Not-Fahrplan. Kein Wunder, die Bürgermeister der fünf Inseln haben in einer gemeinsamen Erklärung alle möglichen Touristen gebeten, vom Besuch der Inseln abzusehen. Zudem sind alle Hotels und Restaurants geschlossen, Shutdown.

Per PC, Erinnerung und Buchvorlage in die Bretagne – das geht immer

So bleibt es also beim Kopfkino, wenn einen das Fernweh packt. Ich kann ja Pläne schmieden, am PC mit einer Internet-Recherche. Die Bretagne im Westen Frankreichs lockt immer wieder. Einst zu Studentenzeiten mit dem Cabrio bereist und, als die Kinder klein waren, im Sommer als Urlaubsziel geschätzt, ist der große abwechslungsreiche Landzipfel im Atlantik immer noch ein Sehnsuchtsziel. Okay, die Anreise aus Deutschland kann sich ziehen, lohnt sich aber. Man sollte schon den Weg als das Ziel verstehen und in einem bequemen Auto die Landschaft aufrollen. Am besten über Amiens und Caen bis nach Saint-Malo. Das ist über die Autobahn in neun bis zehn Stunden zu schaffen und man spart sich so den zeitfressenden Weg über die Pariser Ringautobahn Peripherique. Beeindruckender Höhepunkt der Strecke ist die Pont de Normandie, eine gut zwei Kilometer lange Schrägseilbrücke über den Mündungslauf der Seine bei Le Havre. Die Auffahrt des mautpflichtigen Bauwerks ist so atemberaubend steil, dass man über dem Lenkrad nur Himmel, die Stahlseile und die über 200 Meter hohen Stützen sieht.

Nach der Übernachtung in Saint-Malo könnten wir weiter in den Süden der zerklüfteten Halbinsel. Etwa nach Concarneau in der Nähe von Quimper, dort wo der vom deutschen Autor Jean-Luc Bannalec (ein Pseudonym) erdachte Kriminalkommissar Georges Dupin Dienst tut. Mittlerweile sind schon acht der unterhaltsamen Krimi-Episoden erschienen und jede enthält Karten, Lagepläne und im Text versteckte Restaurant- und Hotel-Tipps von magischen Orten, die es wirklich gibt.

Ab nach Schottland zum Drehort von „Local Hero“

Eine weitere Kopf- und Wunschreise treibt mich nach Schottland, genauer gesagt nach Pennan. Seit Jahrzehnten – seit ich das erste Mal den britischen Film „Local Hero“ in mich aufsaugen konnte – will ich das kleine schottische Fischerdorf besuchen. Pennan war der Hauptdrehort der tiefsinnig-witzigen Filmkomödie von 1983, zu der Mark Knopfler eine brillante Filmmusik schuf. Die Handlung des Films ist komplex und bitter-süß. Eine rote, britische Telefonzelle, die tatsächlich in Pennan steht, spielt eine wichtige Rolle. Mehr will ich nicht verraten; und wen das Ganze wirklich interessiert, der sollte nicht googlen, sondern besser gleich den ganzen Film oder zumindest den Trailer anschauen. Meine Schottland-Local-Hero-Traumreise geht mit der Fähre nach Edinburgh, am besten mit der Triumph Scrambler. Von der schottischen Metropole sind es gut drei Stunden bis Pennan. An dem nördlichen Küstenabschnitt, der Richtung Westen nach Inverness führt, locken noch weitere verträumte Örtchen. Nicht alle haben ein Hotel so wie Portknockie, eine Stunde Richtung Westen von Pennan. Hotel Victoria heißt die Unterkunft in der Ortsmitte.

Wenn meine Reise mit ausreichend Zeit gesegnet ist, dann geht’s auch noch weiter ins schottische Hochland und entlang Loch Ness und des Caledonian Canal Richtung Atlantik. Möglichweise sogar zu einem Besuch der Inseln Mull, Islay oder Arran.

Der erzwungene Verzicht macht mich bescheiden – Eifel, Hunsrück und Pfalz können auch Sehnsuchtsziele sein

Ganz gleich welches Ziel in der Zeit nach Corona als erstes angepeilt wird. Die neu gewonnene Freiheit nach dem Exit vom Shutdown wird sich noch besser anfühlen als die gewöhnliche Freiheit vor dem 13. März 2020. Und es sollen noch viele Reisen geplant und realisiert werden. Mit der Scrambler im Herbst in die Dolomiten vielleicht. Beim nächsten großen Segeltörn von Skagen hoch nach Oslo, wer weiß. Doch ein bisschen macht der derzeitige Freiheitsverlust auch bescheiden. Der kleine Eintages-Törn von Kiel bis in die Schlei kann schon so viel bieten. Und statt mit dem Automobil bis nach Portofino an die italienische Riviera zu glühen, bringt die gemütliche Kurvenschaukelei durch Pfalz, Hunsrück oder Eifel vielleicht noch tiefere Einsichten.

Autor: Thomas Wüsten