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BEV-Probleme – der Kunde ist ein Gewohnheitstier

Mercedes-Benz C 350 e: Der Hightech Plug-in-Hybrid glänzt mit einem Normverbrauch von nur 2,1 l/100 km und ist seit März ab rund 51.000 Euro erhältlich. Insgesamt 279 PS sorgen für Dynamik und eine Batterie mit 6,4 kWh ermöglicht 31 km rein elektrisches Fahren. (Werksfoto)

Autonomes Fahren, Connected Car (zu Deutsch vernetztes Auto), die SUV-Welle und die positive Marktentwicklung in den USA. Es gibt viele Themen auf der New York Auto Show, nur das Elektroauto ist keins. Tesla stellt gar nicht in New York aus und auch sonst fehlen dort wichtige batteriebetriebene Neuheiten. Stattdessen gibt es aber eine Reihe neuer Varianten mit Plug-in-Hybridantrieb. Ist das BEV (Battery Electric Vehicle, dt. batterieelektrisches Fahrzeug) etwa schon tot bevor es von immer härteren Umweltweltauflagen und CO2-Limits erst richtig zum Leben erweckt wird. Mhh, jetzt klinge ich ja wie ein Fortschritts-Feind oder Ewig-Gestriger.

Gehen wir mal anders an das Thema ran. Betrachten wir mal ganz normale, durchschnittliche private Haushalte mit ein bis zwei Autos, also keine Firmenfuhrparks, städtische Betriebe oder Superreiche. Und nun blicken sie sich in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis um. Wer aus dieser Gruppe – ein Eigenheim vorausgesetzt – hat eine Pelletheizung? Na bitte, Keiner. Oder kennen sie doch jemanden, na, dann fährt der wahrscheinlich auch Toyota Prius. Will sagen, der Kunde ist ein Gewohnheitstier. Und gewöhnlich wird mit Öl oder Gas geheizt, ganz egal wie nachhaltig oder eventuell auch kostengünstiger eine Pelletheizung auch wäre.

Und so ähnlich tickt der private Entscheider auch beim Autokauf. Er kauft einen Benziner oder einen Diesel, genau so wie es schon seine Eltern taten. Das ist tief in der Autofahrer-Psyche verankert und über Generationen so gelernt. Man fährt 300 bis 600 Kilometer – bei manchen Dieseln auch 800 km oder mehr – dann tankt man und fährt weiter. Bei der Urlaubsfahrt ruhig 1.200 oder gar 1.500 Kilometer an einem Tag und im Alltagsbetrieb steuern manche die Tankstelle nur einmal im Monat an, manche auch wöchentlich. Aber das Wichtige: Immer wenn man möchte, kann man fahren. Und selbst wer das Tanken vergisst, dem ist mit einem gefüllten Reservekanister rasch geholfen.

Ein E-Auto kann nicht 24 Stunden am Tag fahren
Der gedanklich so konditionierte Fahrer eines Verbrennermotors sieht das Elektroauto eher kritisch. Unterbewusst empfindet er die limitierte Reichweite als beängstigende Einschränkung seiner Freiheit. Okay, 200 Kilometer Batterie-Reichweite genügen für die meisten Privatfahrer pro Tag. Aber was ist wenn in der Stadt alle Ladestationen besetzt oder zugeparkt sind? Was macht der Fahrer, der mit nahezu leerer Batterie glücklich zuhause ankommt, etwas vergessen hat und deshalb gleich wieder los muss? Fragen über Fragen, und es gibt noch mehr, oder? Und natürlich die Frage nach dem Preis, nach dem Kaufpreis des Elektroautos. Warum sollte ich als Kunde gut 35.000 Euro für einen E-Golf mit rund 190 Kilometer Reichweite bezahlen, wenn ich für die Hälfte einen Golf TDI bekomme, der locker 800 Kilometer am Stück schafft? Ganz ehrlich, wer geglaubt hat, Elektroautos würden sich in Deutschland in einem überschaubaren Zeitrahmen durchsetzen, der war ein Träumer von Anfang an. Und er ist es heute noch, denn praktisch haben BEVs keine Marktbedeutung. Bei einem Bestand von rund 44 Millionen Pkw in Deutschland sind nur etwa 24.000 davon elektrisch angetrieben. Übrigens: deutlich mehr Elektroautos als in Deutschland kann man bei einer Fahrt durch die Niederlande sehen – auch überraschend viele der Marke Tesla. Die Gründe: Bei unseren Nachbarn werden E-Autos richtig satt subventioniert und die Niederlande sind ein kleines Land, von Amsterdam aus sind es nur 200 Kilometer, um fast jeden Winkel des Landes zu erreichen.

Plug-in-Hybrid Alltag: Unter der rechten Rückleuchte wird der Strom getankt, Reichweite 31 Kilometer. Wer weniger fährt kann den Vierzylinder-Benziner ausgeschaltet lassen, zumindest wenn nur sanft beschleunigt und mit 130 km/h Spitze zufrieden ist. (Werksfoto)

Plug-in-Hybrid Alltag: Unter der rechten Rückleuchte wird der Strom getankt, Reichweite 31 Kilometer. Wer weniger fährt kann den Vierzylinder-Benziner ausgeschaltet lassen, zumindest wenn man nur sanft beschleunigt und mit 130 km/h Spitze zufrieden ist. (Werksfoto)

Das Elektroauto beschneidet eine Freiheit, die wir ohnehin kaum nutzen
Wenn also Kunden Gewohnheitstiere sind und das Elektroauto bei den derzeitigen Anschaffungspreisen und den geringen Reichweiten keine Privatkäufer findet, was dann? Ganz einfach, die Automobilhersteller verkaufen uns eine andere Technologie als der Weisheit letzten Schluss. Gemeint sind Plug-in-Hybrid-Modelle oder abgekürzt PHEVs (steht für plug-in hybrid electric vehicle). Wie ein normaler Hybrid kombinieren diese Fahrzeuge einen Verbrennungsmotor mit einem batteriegespeisten Elektromotor. Zusätzlich besitzen sie ein Ladekabel wie ein E-Auto und können an der Steckdose (plug-in) geladen werden. Bei der Verbrauchsmessung zum NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) tricksen diese Modelle quasi die Norm aus, denn sie dürfen mit vollgeladener Batterie starten, gemessen wird aber nur der Treibstoffverbrauch. So glänzen diese PHEVs im Prospekt mit sensationell niedrigen Verbrauchswerten und helfen den Herstellern den Flottenverbrauch zu senken. In der Realität, also wenn über eine längere Strecke sowohl elektrisch wie auch mit Verbrennungsmotorkraft gefahren wird, liegt der Verbrauch natürlich viel höher. So verbraucht beispielsweise der Mercedes C 350 e laut Norm nur 2,1 Liter auf 100 Kilometer. Der ungefähre Praxisverbrauch, den verschiedene Automobil-Medien ermittelten, liegt jedoch bei Werten zwischen fünf bis sechseinhalb Liter auf 100 km. Das Verhältnis zwischen Normverbrauch und praktischer Wahrheit sieht bei anderen Plug-in-Hybriden nicht viel anders aus. Dennoch, Plug-in-Hybride scheinen sinnvoll zu sein, besonders, wenn sie eine elektrische Reichweite von mindesten 30 Kilometer schaffen. Dann werden sie genauso behandelt wie Elektroautos und erhalten auch deren Vergünstigungen, wenn es denn welche geben sollte, wie zum Beispiel die erlaubte Benutzung von Busspuren in Innenstädten.

Jede Menge neue PHEV-Modelle stehen in den Startlöchern
Allein Mercedes kündigt bis 2017 zehn neue Plug-in Hybride an und spricht schon von einer Hybridoffensive. Audi und BMW werden da nicht zurückstehen, aber auch Volkswagen und Volvo verfolgen eine expansive PHEV-Strategie. Es sind zwar meist die großen SUVs, die zuerst mit dieser Antriebtechnik starten. Doch wie Mercedes mit der C-Klasse werden auch Audi mit dem neuen A4 und BMW mit dem 3er samt Hybrid-Technik spätestens 2016 im Markt sein. Dann kann es bis zur Durchdringung der Kompaktklasse nicht mehr lange dauern. Audi ist mit dem A3 e-tron dort bereits angekommen und der VW Golf GTE, ebenfalls ein Plug-in Hybrid, bedient sich in diesem Fall einfach aus dem Audi Technik-Regal.

VW Golf GTE: Der Plug-in-Hybrid mit einer Systemleistung von 204 PS kostet knapp 37.000 Euro – komisch, auf den Fotos der Hersteller sieht Stromtanken immer so sauber und problemlos aus. (Werksfoto)

VW Golf GTE: Der Plug-in-Hybrid mit einer Systemleistung von 204 PS kostet knapp 37.000 Euro – komisch, auf den Fotos der Hersteller sieht Stromtanken immer so sauber und problemlos aus. (Werksfoto)

Mit einem PHEV kann man nie ohne Strom liegenbleiben
Auch wenn Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge den generellen Hybrid-Nachteil wiederholen, nämlich immer zwei Antriebsmotoren mit sich herumschleppen, scheint diese Technik Zukunft zu haben. Die Psychologie der Kunden spielt die entscheidende Rolle. Mit einem PHEV kann man nie mit leerer Batterie liegenbleiben, weil in diesem Fall immer der Verbrenner-Motor den Antrieb übernimmt. Dennoch können die Fahrer in der Praxis die Vorteile des rein elektrischen Betriebs kennen und schätzen lernen. Mancher große SUV, der als Kindergarten-Taxi eingesetzt wird, muss vielleicht während der Woche kein einziges Mal den Verbrenner bemühen. Da könnte den Kunden, die mit den elektrischen Reichweiten zwischen 30 und 50 Kilometer zurechtkommen, mit der Zeit klar werden, dass ein reines Elektroauto für ihre Mobilitätsbedürfnisse doch ausreichen kann. Plug-in-Hybrid-Autos sind damit eine Übergangstechnologie auf dem Weg zum rein elektrischen Fahren. Sie ähneln ein wenig einem E-Auto mit Range-Extender (Reichweiten-Verlängerer), bei dem in den meisten Fällen ein kleiner Benzinmotor bei leerer Batterie startet und wie ein Generator Ladestrom für den Energiespeicher produziert. Aber so ein Elektroauto mit Versicherung gegen das Liegenbleiben ist eigentlich schon wieder eine neue Geschichte.

 

Kommentar: Letztendlich entscheiden die privaten Autokäufer mit ihrem Portemonnaie. Das heißt die Gesamt-Fahrzeugkosten einschließlich Batteriekosten, zu erwartenden Treibstoffkosten (Weltmarkt Ölpreis!) und angekündigte steuerliche Be- oder Entlastungen beeinflussen das Kaufverhalten. Wenn Politik nicht nur den Stillstand verwalten sondern Zukunft gestalten soll, dann müsste hier wirksam steuernd eingegriffen werden. Keine Sorge, dass passiert nicht. Und was machen die Automobilhersteller? Das sind Fabrikanten und Kaufleute, sie produzieren etwas, das sie zu einem möglichst hohen Preis verkaufen wollen, dabei berücksichtigen sie aktuelle Bestimmungen und angekündigte oder absehbare staatliche Vorschriften. Deshalb gilt zur Zeit die CO2-Reduzierung als ein vorrangiges Entwicklungsziel, allein schon um Strafzahlungen zu vermeiden. Mit welcher Technologie jedoch der CO2-Flottenwert gesenkt wird, kann den Herstellern eigentlich egal sein, solange das nötige Investment weiterhin gute Gewinne ermöglicht. Fest steht: Elektroauto, PHEV oder verbrauchsoptimierter Verbrenner, in der Zukunft werden verschiedene Konzepte nebeneinander angeboten und der Kunde wird auch dann mit dem Fahrzeugpreis die entsprechenden Entwicklungskosten mitfinanzieren. H.H.