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Autobranche in der Corona-Krise, Teil 2

Mercedes-Benz A 250 e Limousine: Reine Elektroautos und Plug-in-Hybride (Foto) werden zurzeit per Umweltbonus gefördert. Für die nächste Hilfsprämie sind Politiker und Hersteller im Gespräch. Sollen auch moderne Diesel und Benziner gefördert werden? (Werksfoto)

Autohäuser ohne Kunden. Dramatisch gesunkene PKW-Neuzulassungen im März. Der Lockdown wird zum Knockdown für die Wirtschaft. Branchenkenner wie Prof. Friedrich Indra erwarten, dass mögliche Kunden „ihre alten Autos behalten“. Kann der Nachfrageeinbruch durch finanzielle Kaufanreize gestoppt werden? Mit einer Abwrackprämie, einer Innovationsprämie oder einer Neustartprämie? Sollen auch moderne Diesel und Benziner  gefördert werden? Ab jetzt spielen Politik und Industrie Subventions-Roulette.

Unter Corona ist die Zukunft nicht planbar – wer denkt da an Autokauf?

Nachdem die erste für Mitte April angekündigte Corona-Welle ausblieb, stehen nun deutschlandweit Lockerungen an. Gleichzeitig fürchten Virologen, Epidemiologen und Politiker eine zweite Corona-Welle, die erneute Lockdown-Maßnahmen nötig machen könnte. Doch ganz gleich ob zweite Welle, noch strengerer Lockdown oder ein weiterhin milder Pandemie-Verlauf in Deutschland. Die Corona-Krise ist auch eine Wirtschaftskrise, weil die kurz- und mittelfristige Zukunft nicht planbar ist. Einzelhandel und Betriebe stehen vor ungelösten Finanzproblemen, genauso wie der Angestellte in Kurzarbeit. Das Coronavirus verschont niemanden. Und so zieht das Branchenblatt „auto, motor und sport“ unter der jüngst veröffentlichten Zulassungsstatistik vom März (Ausgabe 10/2020) das Fazit: „An einen Autokauf denkt zurzeit kaum jemand.“ Im Gegenteil, viele potentielle Käufer stornieren Bestellungen oder verschieben die Neuanschaffung um mehr als ein Jahr in die hoffentlich virusfreie Zukunft. Oft ist ein Rücktritt vom Vertrag auch deshalb möglich, weil der Händler wegen der Produktionsausfälle nicht rechtzeitig liefern kann, folglich in Verzug gesetzt wird und auch innerhalb der Nachfrist das Fahrzeug schuldig bleibt. Dann ist der Kunde raus aus der Kaufverpflichtung.

Corona-Folge: Aufschiebbare Investitionen werden auf Eis gelegt

Für Konzerne, Firmen und private Kunden gilt jetzt ganz einfach: Wer durch die Corona-Krise knapp bei Kasse ist, der spart wo er kann und wird größere, aufschiebbare Investitionen erstmal auf Eis legen. Gleichzeitig werden auf der anderen Seite Kapitalträger verfügbare Volumen möglichst in Sachwerte investieren. Neue Automobile gehören nicht dazu, allenfalls werthaltige Oldtimer.

Der SEAT Mii electric, technisch baugleich mit VW e-Up und ŠKODA CITIGO E IV. Einstiegspreis um 20.000 Euro – nach Abzug des Umweltbonus sind es nur noch gut 14.000 Euro. Aber sobald die Politik weitere Förderprämien in Aussicht stellt, werden potenzielle Käufer verunsichert abwarten – 4.000 Euro Prämienerhöhung sind schließlich ein Wort, „nicht wahr, Herr Söder?“ (Werksfoto)

Die ganze Autobranche ruft nach staatlichen Kaufanreizen – Stichwort „Innovationsprämie“

Das Wissen um die aktuelle Kaufverweigerung geschäftlicher wie privater Autokunden ruft die ebenfalls gebeutelten Hersteller mit Forderungen an den Staat auf den Plan. Während das Volkswagen-Werk in Wolfsburg die Corona-Zwangspause beendet und die Produktion mit eingeschränkter Kapazität langsam hochfährt, verlangt VW-Chef Herbert Diess von der Politik schnelle Maßnahmen für Auto-Kaufanreize. Es gehe darum, den Nachfrageeinbruch abzufedern, möglichst mit „baldigen kraftvollen Maßnahmen“. Weitere VW-Manager sprechen von Sorgen um Jobverluste und einer Verbesserung der Umweltverträglichkeit mittels staatlicher Kaufanreize. Es soll vor allem schnell entschieden werden, am besten schon im Mai. Und entgegen den Ideen mancher Politiker will VW in einer möglichen Absatzförderung nicht nur Autos mit alternativen Antrieben sehen, sondern verlangt explizit die Einbindung moderner Verbrenner. Der Auto- und Gebrauchthandel bringt auch eine Förderung für den Verkauf von bis zu drei Jahre alten Gebrauchten ins Gespräch.

10.000 Euro Prämie stehen dank Söder im Raum – welcher Ministerpräsident bietet mehr?

Und ausgerechnet jetzt meldet sich Markus Söder, CSU-Chef und Ministerpräsident von Bayern, zu Wort. In der Diskussion um die Anschubhilfe für die Automobilindustrie schlägt er eine E-Auto-Kaufprämie von insgesamt 10.000 Euro vor. Er meint damit eine Erhöhung der 6.000-Euro-Prämie (Umweltbonus) um 4.000 Euro. Der Umweltbonus von 6.000 Euro (für reine BEVs mit einem Listenpreis unter 40.000 Euro) wurde bislang 50:50 von Staat und Industrie getragen. Ob das auch für die 4.000 Euro Erhöhung so gelten soll, ist offen.

Solange die neue Förderung nicht entschieden ist, bleibt der Markt am Boden

Fest steht hingegen, dass E-Auto-Interessenten nun, da eine Zusatzprämie zum Umweltbonus möglich wird, mit der Unterschrift eines Kaufvertrags warten werden. Aber auch die wenigen anderen Interessenten, die nach einem PHEV, Euro-6-Diesel oder modernen Benziner schauen, werden jetzt erstmal abwarten. Das bedeutet im Klartext: Selbst die wenigen Autokauf-Interessenten, die sich noch eine Neuanschaffung vorstellen und leisten können, werden in Corona-Starre verfallen und so lange warten, bis umfassende stattliche Förderprogramme offiziell verkündet sind.

Können Förderprämien tatsächlich die Corona-Krise beenden?

Und selbst dann müssen Käufer im Sommer noch befürchten, dass bei ungenügender Wirkung der Förderungen im Herbst oder Winter weitere Konjunkturspritzen aus der Hüfte nachgeschossen werden. Es geht schließlich um ein hohes Ziel: Deutschlands Schlüsselindustrie, die heimische Automobilproduktion, soll die Corona-Krise irgendwie überstehen.

Autor: Thomas Wüsten