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Autonomes Gefahren werden: Wann wird Selbstfahren verboten?

Smart vision EQ fortwo: So wie dieses Carsharing-Konzeptfahrzeug könnten die künftigen autonomen Robotaxis im Jahr 2020 aussehen. Die ersten Einsatzorte werden vermutlich Metropolen in Asien sein. (Werksfoto)

Künstliche Intelligenz – was ist das? Und was hat das mit autonom fahrenden Autos zu tun? Nach landläufiger Definition verfügt ein Computer oder Roboter dann über künstliche Intelligenz (kurz KI – oder in Englisch AI für artificial intelligence), wenn er mit menschenähnlichen Entscheidungsstrukturen in der Lage ist, eigenständig Probleme zu bearbeiten. Bei der Entwicklung von selbstfahrenden Automobilen spielt KI eine große Rolle. Es ist nämlich schlicht nahezu unmöglich, dem Steuerungscomputer in einem autonom fahrenden Automobil alle Informationen über bevorstehende Szenarien im Straßenverkehr ins Programm zu schreiben. Stattdessen gehen die Entwickler autonomer Autos heute – vereinfacht gesagt – den Weg, die Steuerung so anzulegen, dass sie mittels KI „selbst lernen kann“. Das heißt, dass das Fahrzeug seine Umgebung mit Hilfe von Kameras, Laserscannern und Sensoren permanent überwacht und dann aus den gewonnenen Informationen im Zusammenspiel mit den bereits abgespeicherten Informationen (Erfahrungen) eigene Schlüsse zieht und so auch in der Lage ist, das Verhalten anderer Verkehrspartner vorauszuberechnen.

Mittlerweile haben sich sowohl die Digitalriesen Apple, Google und Co. ebenso wie die traditionellen Autohersteller die Dienste der weltweit fähigsten KI-Forscher gesichert. In den Daten und in der verarbeitenden Software liegt der Schlüssel zur Zukunft. Und nicht etwa in einer Batterie oder in einem simplen Elektromotor, der ebenso gut eine Waschmaschine antreiben könnte. Im Interview mit „auto, motor und sport“ erklärte Jürgen Schmidhuber, 55, einer der KI-Entwickler, wie der Weg zum autonomen Fahren aussehen könnte. Und Schmidhubers Wort hat Gewicht, denn er gehört zu den führenden Köpfen auf dem Gebiet KI, forscht in diesem Bereich zeitlebens und ist wissenschaftlicher Direktor bei IDISA, einem KI-Forschungsinstitut.

Hier der Versuch einer Zusammenfassung von Schmidhubers Aussagen:

  • Autonome Autos werden bald sicherer fahren als Menschen. Sobald sie 100-mal sicherer fahren, wird autonomes Fahren per Gesetz Pflicht (so wie heute Gurte, ABS und ESP), Menschen dürfen dann nur noch in Ausnahmefällen selbst fahren.
  • In Deutschland kommen im Schnitt neun Menschen pro Tag durch Verkehrsunfälle ums Leben. Es könnte künftig nur noch ein Toter pro Tag sein – u.a. dank autonomen Fahrens. Deshalb gilt: Das autonome Fahren wird kommen, aber wohl schneller in China als in Ländern mit einer alten, tradierten Industrie.
  • Zu autonomen Robotaxis sagt Schmidhuber: Die meisten PKW stehen heute 23 von 24 Stunden herum. Robotertaxis werden viel effizienter und ständig unterwegs sein. Diese E-Mobile sind einfacher konstruiert als Benziner und erreichen doppelt so viele Betriebsstunden. Dennoch müssen sie oft ausgetauscht werden, u.a. weil sie rund 300.000 Kilometer pro Jahr fahren. Insgesamt werden dann nur noch halb so viele Autos gebaut und die Nachfrage nach Parkplätzen wird drastisch schrumpfen.

H.H.

Standpunkt: Jürgen Schmidhubers Szenario der autonom fahrenden Mobile ist nicht neu, doch er zieht logische Schlüsse und zeigt überzeugend auf, dass die Technik bald kommen wird. Er nennt keinen festen Zeitplan für die weitere Entwicklung, doch wer seine Aussagen mit den Statements von Johann Jungwirth (Volkswagen) und Chris Urmson (Chef von Aurora und VW-Partner) vergleicht, der kann sehr realistisch abschätzen, wann es vollautonom losgeht. Das Entwicklungsrennen zwischen den Digitalriesen aus Kalifornien und den Oldschool-Herstellern – von Kritikern gerne respektlos „Blechbieger“ genannt – ist bereits auf der Zielgeraden. 2020 oder spätestens 2021 werden autonome Robotaxis in den ersten internationalen Metropolen im Einsatz sein, da bin ich mir ganz sicher. Okay, in europäischen oder deutschen Städten dauert es vielleicht noch ein, zwei Jahre länger.

Audi A8 lang: State of the Art – hochaktuelle Luxuslimousine, ab etwa 2019 optional mit der Technik zum autonomen Fahren auf Level 3. Sobald Level 5 Realität ist, muss nachgerüstet werden – oder soll so ein Wagen bereits nach fünf Jahren verschrottet werden? (Werksfoto)

Ganz sicher ist allerdings auch, dass es nicht nur Elektroautos sein werden, die autonom fahren. Wenn autonome Fahrzeuge 100-mal sicherer fahren als individuell von Menschenhand gesteuerte Autos, dann wird jede Regierung, jeder Staat diese Technik sehr schnell für alle Fahrzeugtypen vorschreiben. Und da die Verkehrswende hin zur E-Mobilität speziell in Europa und ganz speziell in Deutschland wesentlich langsamer vorankommt als die Entwicklung autonomer Mobile, muss es zwangsläufig in nicht allzu ferner Zukunft auch autonome Benziner und Diesel geben. Auch Nachrüst-Lösungen mit autonomer Technik sind denkbar. Schließlich ist nicht einzusehen, warum der Fahrer einer Top-Limousine Baujahr 2018 ab etwa 2022 unsicherer unterwegs sein soll als ein vergleichsweise einfaches und preiswertes Robotaxi.

Autor: Thomas Wüsten