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Auto der Woche: Mercedes-AMG C 43 4MATIC T – ein halber AMG oder der bessere AMG?

Der Mercedes-AMG C 43 T: Beinah unauffällig kommt der 367 PS starke Kombi daher. Der Diamantgrill bringt den Glitzereffekt, und es gibt ja auch noch andere Lackierungen als ödes schwarz. (Werksfoto)

Audi hat die S-Modelle unterhalb der RS-Boliden, BMW hat die M-Performance Modelle, und bei Mercedes heißt die Linie unterhalb der „echten“ AMG’s einfach Mercedes-AMG. Mit den sportlichen Zwischenstufen wollen alle drei Hersteller das Gleiche: an Dynamik interessierte Auto-Fans ansprechen, denen ein RS, ein M oder ein AMG zu teuer, zu sportlich, zu extrem oder auch einfach nur zu dick aufgetragen ist. Als sportlicher Kombi dieser Halbfett-Stufen-Mobile sticht das Mercedes-AMG C 43 4MATIC T-Modell besonders hervor. Einziger direkter Wettbewerber ist der Audi S4 Avant; BMW bietet in der Mittelklasse keine M-Performance Modelle an.

  • Mercedes-AMG C 43 4MATIC T-Modell: Dreiliter-V6 mit Bi-Turboaufladung und 367 PS bei 5.500/min bis 6.000/min, 520 Nm bei 2.000/min bis 4.200/min.
  • Audi S4 Avant: Dreiliter-V6 mit Turboaufladung und 354 PS bei 5.400/min bis 6.400/min, 500 Nm bei 1.370/min bis 4.500/min.
  • Zum Vergleich: Porsche Carrera: Dreiliter-Boxer mit Turboaufladung und 370 PS bei 6.500/min, 450 Nm bei 1.700/min bis 5.000/min.

Impression: Die kurze Liaison mit dem Audi RS 4 (motorMAQ Beitrag vom 6.September 2017) war mehr als ein Flirt  – es war tiefes Erinnern an alte RS-Fahreindrücke und damit eine Art Jungbrunnen. In den besonders aktiven Zeiten des Redaktionsbüros ‚Team Extra 3‘ hatte ich den freisaugenden Hochdrehzahl-V8 bereits mit manuellem Sechsganggetriebe sowohl als Limousine wie auch als Cabrio fahren können. Schon früher – irgendwann um 1999 – hinterließ auch der RS4 B5 nachhaltigen Eindruck. Ebenfalls per Hand geschaltet, brachte es der von Cosworth mitentwickelte Biturbo-V6 auf 380 PS und besonders druckvolle 440 Newtonmeter schon ab 2.500/min. Da erscheinen einem die 430 Nm erst ab 4.000/min im 2015er RS 4 schon wieder recht zahm. Konkreter: Je nach Grad der PS- und Drehmoment-Verwöhnung des Fahrers ist der V8-Sauger des Audi untenrum eine „Luftpumpe“.

Von 2015 bis Mitte 2016 hieß der schnelle C noch 450 AMG und besaß die 7-Gang-Automatik. Leistung und Drehmoment blieben bei der Umfirmierung unverändert. (Werksfoto)

Wenige Wochen nach den letzten RS 4 Fahrten manövrierte die PS-Sehnsucht ein neues automobiles Thema auf die „Will-ich-fahren-Wunschliste“: das Mercedes-AMG C 43 4MATIC T-Modell. Logo, stark motorisierte Kombis, denen man bei einem flüchtigen Blick die Power nicht ansieht, haben mich schon immer fasziniert. Dieses „ein bißchen Porsche – ein bißchen Passat Variant“ wirkt je nach Fahrzeug-Ausstattung und Lackierung richtig bescheiden, ja fast introvertiert. Und obwohl der C 43 kein reinrassiger AMG ist, sondern die Zwischenstufe Mercedes-AMG markiert, macht er doch der Papierform nach mit 520 Nm ab 2.000/min richtig was her (viel Drehmoment ganz unten dank Turboaufladung). OK, der Vierliter-V8-Biturbo des C 63 bringt es in der S-Version auf 510 PS und 700 Nm ab 1.750/min. Und wie heißt es so schön: „PS kauft man, mit Drehmoment fährt man“. Doch im Fall von C 43 und C 63 hat das Thema noch mehr Ebenen. Und eine heißt schlicht Bodenhaftung und Traktion oder ob und wie man die Kraft tatsächlich auf die Straße bekommt. Wie schrieb zuletzt ein Kollege über den C 63 im Verhältnis zum C 43: „Was nützt die ganze Kraft, wenn sie fast ständig von den elektronischen Systemen weggeregelt oder beschnitten wird?“ Richtig, dann doch lieber einen C 43, der dank heckbetontem Allradantrieb seine Leistung nahezu verlustfrei in Vortrieb umsetzt und dabei im quer-dynamischen Bereich auch noch einfacher mit sich spielen lässt.

Das Cockpit des Mercedes-AMG C 43: Rote Ziernähte muss man ja nicht mögen. In der Mittelkonsole fehlt etwas. Richtig: Der Getriebe-Wählhebel steckt rechts an der Lenksäule, zum Glück gibt es griffige Schaltpaddel. (Werksfoto)

Die Zutaten, die AMG dem C 43 mit auf den Weg gegeben hat, lesen sich sehr vielversprechend: Das serienmäßige Automatikgetriebe 9G-TRONIC verfügt über eine Zwischengasfunktion beim Zurückschalten. Der Allradantrieb AMG Performance 4MATIC mit heckbetonter Momentenverteilung von 31 zu 69 Prozent sorgt für ein Maximum an Traktion und kurvenwilligem Handling. Das Sportfahrwerk AMG RIDE CONTROL mit adaptiver Verstelldämpfung in drei Stufen wurde vom Mercedes-AMG C 63 übernommen. Und das AMG DYNAMIC SELECT mit einem Schalter für dynamisches, individuell wählbares Fahrerlebnis in fünf Fahrprogrammen sowie AMG spezifischer Parametrierung des dreistufigen elektronischen Stabilitätsprogramms eröffnet dem Fahrer weitere Möglichkeiten in der individuellen Abstimmung.

Damit fährt der C 43 T im Modus „Sport Plus“ tatsächlich begeisternd exakt, hart, direkt und sportlich. Im Modus „Eco“ benimmt sich dasselbe Auto sehr gesittet, bietet annehmbaren Komfort und rollt auch angenehm leise. Im Schubbetrieb schaltet die Automatik sogar auf Segeln und entkoppelt den Motor vom Antriebstrang – ein kleines blaues Segelboot informiert den Fahrer über diesen spritsparenden Rollvorgang. So weit die Extreme, die meisten Kilometer wird der Lenker des C 43 jedoch eher in den Modi „Comfort“ oder „Sport“ unterwegs sein. Oder er stellt sich im Modus „Individual“ seine ganz eigene Abstimmung zusammen und kann diese dann mit einem Klick am DYNAMIC SELECT Schalter aktivieren.

Das V6-Kraftwerk ganz allein, ohne Auto: Früher waren Motoren schöner, aber in Relation zum Techno-Overkill mit Bi-Turbo usw. ist das Paket mit dem roten Abdeckungs-Häubchen fast attraktiv geworden. (Werksfoto)

Bei all den Programmen kann die Fahrwerkshärte zusätzlich an einem separaten Schalter innerhalb der drei Stufen schnell und einfach gewechselt werden. So lässt sich ohne Beeinflussung der übrigen Parameter wie Lenkung, Schaltung und Gasannahme der Federungskomfort von hart auf komfortabel umswitchen. Den gleichen schnellen Eingriff hinsichtlich des Sounds ohne Änderung des Fahrmodus bietet auch die AMG Performance Abgasanlage mit Klappensteuerung über eine Taste rechts neben dem Touchpad. Hier kann der Fahrer blitzschnell die Auspuffklappe schließen, wenn es einmal leise sein soll. Dieser „Klappenauspuff“ kostet 1.428 Euro Aufpreis, doch es lohnt sich. Mercedes beschreibt das Klangerlebnis sehr zurückhaltend: „Eine partielle Ausblendung der Zylinder beim Gangwechsel über eine kurzzeitige und exakt definierte Rücknahme von Zündung und Einspritzung bei Volllast beschleunigt die Schaltvorgänge – was der Fahrer auch akustisch erlebt. Dazu passen die emotionalen Zwischengasfunktionen beim Zurückschalten und das „Auspuffbrabbeln“ im Schubbetrieb. Der kernige Motorsound – ein charakteristisches AMG Erlebnis – spielt auch beim stärksten V6-Modell eine wesentliche Rolle: Dafür haben die Ingenieure eine neue Sport-Abgasanlage mit geringerem Gegendruck und reduziertem Gewicht entwickelt.“ In der Praxis begeistert der C 43 beim Volllast-Beschleunigen mit einem kurzen Knall beim Wechseln der Schaltstufe und beim Runterschalten mit einem extrovertierten Zwischengasstoß, der eigentlich nicht in den öffentlichen Straßenverkehr gehört.

Fazit: Der Mercedes-AMG C 43 kann sportlicher, lauter und direkter als der Audi S4. Er bietet in den Modi „Eco“ und „Comfort“ jedoch auch die harmonische Alltagstauglichkeit, die man zu Recht von einem Reise-Kombi oder Geschäftswagen erwartet. Erst die Elektronik mit der auffallend breiten und gelungenen Spreizung der DYNAMIC SELECT Modi macht diese Abstimmung möglich. Bei aller Skepsis gegenüber der digitalen Überfrachtung führt sie hier dazu, dass im C 43 viele unterschiedliche Autos stecken.

Autor: Thomas Wüsten